Queen Iris
Sex work, the "oldest trade" in the world – why is it so infamous? Why is sex work still a huge taboo – for those who finance their lives with it but also for those who consume the sex? Who feels threatened by these women who have professionalised sex and make a profit out of it? I talked to C. about sex work, but also about the everyday challenges she faces as a (queer) woman.
We don't have the answers to all the questions above, but perhaps C.'s personal story is a first step towards mutual understanding.
The hallway is both a wardrobe and a shoe cupboard; the entire wardrobe hangs on the left, sorted by colour and occasion. The selection of slippers is so large that each visitor can choose a pair in the right size and colour. Next to the golden coffee pot, there are biscuits and pink roses on the living room table. "At some point I promised myself that I would make everything beautiful in my life, and even the rosé champagne has to look beautiful." C. is 25 years old,was trained as a carpenter, studied psychology, runs her own tattoo studio and works as a prostitute under the pseudonym Queen Iris. She pours the red fruit seco and sits down on her pink couch with her legs drawn up, her cigarette in her right hand. It's hard to put her in a box. "I love my life. Everything I have worked for, I have worked for consciously. My life is perfect, I wouldn't want anything else but I know the process to get there was incredibly hard and also bad."
She found out that she could fulfil her own financial desires with sex work at the age of 19, when a man paid her 450€ for a picture of her vulva for the first time. After that she earned €10,000 a month with erotic services. "I grew up poor and suddenly I could buy everything I ever wanted." Even though C. says sex work is her "kink" (it turns her on sexually), she makes it equally clear that this profession is extremely hard. Three years ago, one of her regular clients sexually assaulted her in a hotel room. No charges were ever filed. After this incident, she blamed herself because she had simply not protected herself sufficiently. It was clear to her then that she would never do this work again. During the three years that have passed since then, however, her enthusiasm has returned and so today she is working as a prostitute again. "I had completely forgotten how easy sex work is and how much fun it can be."
C. works undeclared, independently. Being subordinate to someone as an employee is out of the question for her. Since there is no infrastructure for self-employed prostitutes that guarantees a certain level of security, she organizes it herself. Her colleagues and her support each other according to the principle of "each for each". This means that they exchange the data of their clients before an appointment and protect each other by making control calls, but above all they support each other emotionally. Sex work is not always feminist, she says; after all, the man is in the foreground and the woman is the service provider. "I'm definitely a bag full of meat that they project into, I'm aware of that." She builds a bridge to feminist work through her involvement in the Leipzig FINTA* scene (*female, inter, non-binary, trans, agender people) and on her Instagram account, where she openly addresses the problems of sex work.
Even her mere appearance - she describes herself as a "tattooed, heavy haired, curvy babe" - is perceived as a provocation by many men on the street, as she does not submit to the conventional ideals of beauty. Every day she is subjected to verbal and physical violence. C. does not meet these attacks with affected silence, but confronts each of her attackers directly. "Say what you just said again. They usually don't say it again." In most cases, her diplomatic approach results in apologies by her counterpart r. "If you don't want someone to say that to your mother, or to your sister, then don't say it to me either and then they'll understand ." This work on the man, demands a lot of time and nerves. The expression “son of a bitch”, which C. uses "hyperflationarily", functions as a perfect allegory for the sometimes ambivalent relationship between her feminist work and her work as a prostitute. "Because the expression son of a bitch is only an insult if you believe in patriarchy. And if you believe that a whore is a bad person." Should she avoid this expression to "set a good example" or is her own struggle for freedom more important at this point? "I don't know. I'm still, I think, figuring that out."
±
Queen Iris
Sexarbeit, das “älteste Gewerbe” der Welt – warum ist es so verschrien? Warum ist Sexarbeit immer noch ein riesen Tabu – für die, die damit ihr Leben finanzieren aber auch für die, die den Sex konsumieren? Wer fühlt sich bedroht von diesen Frauen, die den Sex professionalisiert haben und Profit daraus erwirtschaften? Ich habe mich mit C. unterhalten; über Sexarbeit, aber auch über die alltäglichen Herausforderungen an sie als (queere) Frau.
Wir haben keine Antworten auf alle oben gestellten Fragen, die muss sich vielleicht auch jede:r selbst beantworten aber vielleicht ist C.’s persönliche Geschichte ein erster Schritt in Richtung gegenseitigen Verständnisses.
Der Flur ist gleichzeitig Kleider- und Schuhschrank, nach Farben und Anlässen sortiert hängt links die gesamte Garderobe. Die Auswahl an Hausschuhen ist so groß, dass jede:r Besucher:in sich ein Paar in der passenden Größe und Wunschfarbe auswählen kann. Neben der goldenen Kaffeekanne stehen auf dem Wohnzimmertisch Katzenzungen und pinke Rosen. „Ich habe mir irgendwann versprochen, dass ich alles schön mache in meinem Leben und auch der Rosé-Sekt muss schön sein.“ C. ist 25 Jahre alt, betreibt ihr eigenes Tattoostudio, hat eine Ausbildung zur Schreinerin absolviert, Psychologie studiert und arbeitet unter dem Pseudonym Queen Iris als Prostituierte. Sie schenkt den roten Fruchtsecco ein und setzt sich mit angezogenen Beinen auf ihre rosa Couch, in der rechten Hand die Zigarette. Es ist schwer, sie in eine Schublade zu stecken. „Ich liebe mein Leben. Alles, was ich mir erarbeitet habe, habe ich mir bewusst erarbeitet. Mein Leben ist perfekt, ich würde nichts anders haben wollen aber ich weiß, dass der Prozess dahin mega schwer und auch schlimm war.“
Dass sie sich mit Sexarbeit ihre finanziellen Wünsche selbst erfüllen kann, hat sie mit 19 Jahren erfahren, als ihr das erste Mal ein Mann 450€ für ein Bild ihrer Vulva zahlte. Daraufhin hat sie mit erotischen Dienstleistungen 10.000€ im Monat verdient. „Ich bin arm aufgewachsen und konnte mir plötzlich alles kaufen, was ich jemals haben wollte.“ Auch wenn C. sagt, Sexarbeit sei ihr „Kink", macht sie ebenso deutlich, dass dieser Beruf extrem hart ist. Vor drei Jahren wurde sie von einem ihrer Stammkunden auf einem Hotelzimmer sexuell missbraucht. Zu einer Anzeige kam es nie. Nach diesem Vorfall hat sie sich selbst große Vorwürfe gemacht, die Schuld bei sich selbst gesehen, da sie sich einfach nicht ausreichend abgesichert habe. Für sie war damals klar, dass sie diese Arbeit nie wieder machen würde. In den drei Jahren, die seitdem vergangen sind, ist ihre Begeisterung jedoch zurückgekommen und so arbeitet sie heute wieder als Prostituierte. „Ich hatte ganz vergessen, wie einfach Sexarbeit ist und wie lustig das ist.“
C. arbeitet unangemeldet, selbstständig. Als Angestellte jemandem untergeordnet zu sein, kommt für sie nicht in Frage. Da für selbstständige Prostituierte keine Infrastruktur besteht, die eine gewisse Sicherheit gewährleistet, hilft sie sich mit befreundeten Kolleg:innen nach dem Prinzip „Jede für Jede“ selbst. Das heißt, sie tauschen vor einem Termin die Daten ihrer Kunden aus und sichern sich gegenseitig durch Kontrollanrufe ab, aber unterstützen sich vor allem auch emotional. Sexarbeit sei nicht immer feministisch, immerhin stehe der Mann im Vordergrund und die Frau sei die Dienstleistende. „Ich bin auf jeden Fall ein Fleischsack, in den reinprojiziert wird, das ist mir schon klar.“ Die Brücke zur feministischen Arbeit schlägt sie durch ihr Engagement in der Leipziger FINTA*-Szene (*Frauen, Inter, Nichtbinäre, Trans, Agender Menschen) und auf ihrem Instagram-Account, wo sie Problematiken von Sexarbeit offen anspricht.
Bereits ihre bloße Erscheinung – sie selbst beschreibt sich als „tattooed, heavy haired, curvy babe“ – wird auf der Straße von vielen Männern als Provokation wahrgenommen, da sie sich nicht den herkömmlich Schönheitsidealen unterwirft. Tagtäglich ist sie verbaler und körperlicher Gewalt ausgesetzt. C. begegnet diesen Angriffen nicht mit betroffenem Schweigen, sondern konfrontiert jeden einzelnen ihrer Angreifer direkt. „Sag, was du eben gesagt hast, nochmal. Die sagen das in der Regel nicht nochmal.“ Ihre diplomatische Vorgehensweise führt in den meisten Fällen dazu, dass sich ihr Gegenüber bei ihr entschuldigt. „Wenn du nicht willst, dass das jemand zu deiner Mutter sagt, oder zu deiner Schwester, dann sag’s auch nicht zu mir und das checken die dann.“ Diese Arbeit am Mann, fordert einen hohen Zeit- und Nervenaufwand. Das Wort Hurensohn, welches C. „hyperflationär“ einsetzt, funktioniert als perfekte Allegorie für das teilweise ambivalente Verhältnis zwischen ihrer feministischen und ihrer Arbeit als Prostituierte. „Denn das Wort Hurensohn ist ja nur eine Beleidigung, wenn du an das Patriarchat glaubst. Und wenn du glaubst, dass eine Hure was Schlechtes ist.“ Sollte sie das Wort meiden, um "mit gutem Beispiel" voranzugehen oder ist ihr eigener Freiheitskampf an dieser Stelle wichtiger? „I don’t know. Ich bin, glaub ich, noch auf dem Weg das rauszufinden.“